13. April 2019
von Alexandra Lux
Eine kleine Revoloution gestartet?
Schülerinnen aus der 4. Klasse schrieben voller Euphorie und Empörung einen Brief an die Mitglieder des Bildungsausschusses. Noch am Nachmittag wollen sie alle solche Briefe an ihre Nachbarn verteilen um zu einer Demonstration aufzurufen.
Das kam so: Meine Projektgruppen beginne ich immer mit einer Runde in der jeder sagen darf, wie es ihm geht. Zum wiederholten Mal erzählten sie, wie sehr sie eine Probe belaste, wie sie sich davor fürchteten, eine Probe heraus zu bekommen. Sie erzählten, dass immer wieder Kinder weinen, weil sie eine schlechte Note haben. Sie wollten das nicht. Sie wollten nicht, dass sich jemand deshalb schlecht fühlt. Diese Stimmung wirkte sich auf die gesamte Klasse aus.
Ich äußerte, dass es mich auch traurig stimme, dass sie so unter den Noten leiden und sich gar nicht mehr auf die Schultage freuen können.
Sie wollen etwas ändern...
Kurz zuvor behandelten sie in Deutsch das Thema „formaler Brief“ und so kamen sie auf die Idee, einen formalen Brief an die Schulleitung zu schreiben um um die Abschaffung der Noten zu bitten. Sie waren gleich Feuer und Flamme und ich erklärte ihnen, dass eine Schulleitung bei diesem Thema nichts ändern kann. Solch eine Bitte müssten sie an die Politiker richten. Sie waren neugierig und so erzählte ich vom Bildungsausschuss im Landtag. Sofort machten sie sich an die Arbeit und schrieben in Kleingruppen vier Briefe von denen sie zwei auswählten, die ich an den Bildungsausschuss schicken sollte.
Die Briefe waren anonym, jedoch sehr authentisch und klar. Sie berührten mich sehr und ich korrigierte sie nicht, schrieb jedoch ein Begleitschreiben, in dem ich kurz erklärte um was es ging und dass ich um eine Antwort an die Mädchen bat.
Sollte sich die Befürchtung bewahrheiten?
Ein Mädchen äußerte Bedenken, ob sich der ganze Aufwand lohne, denn auf Kinder hört ja sowieso niemand! - Ich fragte sie, was passieren würde, wenn wir nichts machen... gar nichts...
Ich hörte lange nichts, denn die Eingangsbestätigung per mail erreichte mich nicht. Anfang April bekam ich die Nachricht, dass meine Petition zur Abschaffung der Noten in der nächsten Sitzung auf der Tagesordnung stünde. Leider konnte ich nicht an der Sitzung teilnehmen, denn das war genau mein Projekttag in der Schule. Ich wunderte mich, denn ich brachte den Brief nicht im Geringsten mit einer Petition in Verbindung. Um nachzuhaken schrieb ich an alle Mitglieder des Bildungsausschusses eine mail, in der ich um eine Antwort bat. Erst dann verstand ich, dass diese „Petition“ unser Brief war. Ich erzählte den Mädchen davon. Sie staunten nicht schlecht und feierten sofort die Abschaffung der Noten. Leider musste ich sie ausbremsen.
Die Mitglieder des Bildungsausschusses waren wohl sehr berührt und erwägen die Mädchen einzuladen. Auf eine endgültige Antwort warten wir jedoch noch.
Es bewegt sich etwas...
Auch das Forum Bildungspolitik interessiert sich für dieses Thema und möchte die Mädchen evtl. unterstützen.
Wichtig für mich ist, dass sie erleben können gehört zu werden. Natürlich werden sie dadurch die Noten nicht abschaffen. Doch sie können zu einen Nach- oder gar Umdenken beitragen. Sie können etwas bewirken. Diese Erfahrung freut mich und ich wünsche mir, dass Kinder dies viel mehr erleben können. Dazu brauchen sie die Unterstützung von uns Erwachsenen. Es hat mich nicht viel Zeit, 4 Briefbögen, einen Umschlag und das Porto gekostet. Teilhabe an demokratischen Prozessen und politische Bildung können so einfach sein. Es muss nicht alles hoch aufgehängt sein!
Wie können SIE Kinder dabei unterstützen? Und das Thema Noten? Ist es wirklich so wichtig, Kinder zu beurteilen? Sie und ihre ganzen Familien dem Stress des Grundschulabiturs auszusetzen? Der ehemalige Vorsitzende des Bildungsausschusses Martin Güll (SPD) forderte bereits 2016 die Abschaffung des Grundschulabiturs, da es gegen die Verfassung verstoße und die Grundrechte der Eltern einschränke.
Eine Lösung?
Am liebsten wäre es mir, dass das dreigliedrige Schulsystem abgeschafft würde, dann gäbe es auch keine Notwendigkeit die Kinder im Alter von 9 oder 10 Jahren in Leistungsstufen zu sortieren.
Vielleicht stehen wir ja doch am Anfang einer kleinen Revolution, die sich zu einer großen auswächst?
Zum Thema Noten habe ich bereits schon einmal Gedanken veröffentlicht...