18. September 2021

von Alexandra Lux

Starke Persönlichkeiten trotzen den Widrigkeiten

Was Eltern in dieser Zeit für ihre Kinder tun können

… und irgendwie will es kein Ende nehmen. Ich fühle mich manchmal in einer Dauerschleife gefangen. Also ob wir uns daran gewöhnen sollten: Masken tragen, Distanz, Kontrolle…

Wir leben gerade in einer sehr unsicheren Zeit. Es geht um Gesundheit, wohin steuert unsere ganze Gesellschaft und wie geht es mit der Schule weiter? Gerade als Eltern machen Sie sich Sorgen, ob Ihr Kind auch alle Chancen haben wird, die Sie ihm wünschen.

Wir können in keine Glaskugel schauen und die Zukunft vorhersehen. Das konnten wir übrigens auch vor Corona nicht. Auch hier wussten wir nicht, wie die Welt in 10 Jahren aussehen wird. Alles entwickelt sich rasend schnell. Berufe entstehen und werden durch Maschinen abgelöst. Das Wissen wächst, so schnell können wir es gar nicht aufnehmen. Und die aktuelle Situation bringt all diese Unsicherheit noch stärker hervor. Potenziert wird sie durch die Machtlosigkeit, die uns durch die starken Vorgaben auch viel deutlicher wird. Doch ganz tief in mir drin ist da dieses große Vertrauen, dass alles sich zum Guten wendet. Dafür lohnt es sich durchzuhalten und sich vorzubereiten. Ich stelle mir vor, dass viel Neues auf uns wartet.



Was bleibt uns übrig? Aufgeben, Resignation? Nein. Wir können etwas tun, SIE als Eltern können etwas tun und Schulen auch. Mehr denn je, ist es wichtig, dass Kinder zu starken Persönlichkeiten werden, die mit den zukünftigen (und aktuellen) Herausforderungen kreativ umgehen und einfühlsame Lösungen finden. Die Bedingungen, die gerade herrschen, können wir nicht ändern, doch wir können sie hinterfragen und für uns gestalten. Das ist das Prinzip der Problemlösung.

Wie wir Kindern ermöglichen können, stark zu werden

Durch die Resilienzforschung zeigte sich, dass es Menschen gibt, die große Herausforderungen kraftvoll bestehen und unter ungünstigen Bedingungen kreative Lösungen finden. Sie finden nach Lebenskrisen wieder in ihre Stärke zurück. Im Lateinischen bedeutet „resilire“ zurückspringen. Resilienz ist eine mentale Widerstandskraft, sozusagen das Immunsystem der Seele, bzw. Psyche. Sie ist allerdings nicht angeboren, sondern wird durch Erfahrungen im Umfeld erworben. Damit Kinder solche positiven Erfahrungen, die die Resilienz stärken machen können, können wir als Erwachsene die Umgebung vorbereiten.

Allgemein wird von den sieben Säulen der Resilienz gesprochen. (Je nach Quelle werden sie auch leicht unterschiedlich benannt.) Ich möchte sie hier aufführen, kurz erklären und Möglichkeiten der Stärkung aufzeigen. Und wie immer sind wir Erwachsene Vorbilder für die Kinder und Jugendlichen. Sie ahmen uns nach, sie probieren aus, zu sein wie wir. Daher sollten wir selbst auch über eine gute Resilienz verfügen!

  • REALISTISCHER UND GESUNDER OPTIMISMUS

Das ist die Lebenseinstellung. Es geht nicht darum, die rosarote Brille aufzusetzen, sondern die schönen Dinge des Lebens zu sehen und anzuerkennen. Auch in gerade nicht so rosigen Zeiten und dass es danach wieder besser wird. Das Leben ist ein Auf und Ab.

Auf was kann ich mich freuen? Scheint die Sonne auch nach Regentagen wieder? Wie wird es sein, wenn das vorbei ist? Malen Sie im Kopf oder auf Papier schöne Bilder, die Hoffnung geben. – Damit zeigen Sie dem Gehirn, dass es auch andere Bilder gibt. Setzen Sie eine positiven Fokus auf die Situationen, die herausfordernd sind.

Auch die Dankbarkeit für die schönen Dinge in der schwierigen Zeit hilft und fördert den Optimismus, dass es auch wieder anders werden wird.

  • PLANUNG UNDGESTALTUNG DER ZUKUNFT

Der Blick in die Zukunft das Zugehen auf gesteckte Ziele motiviert aktiv zu bleiben. Habe ich ein Ziel, kann ich aktiv darauf hinarbeiten und muss mich nicht als Blatt im Herbstwind dahin treiben lassen. Ich kann meine Zukunft aktiv selbst gestalten. Dass früher alles besser war, kann schon sein, doch wie möchte ich meine Zukunft haben?
Planen Sie mit Ihrem Kind gemeinsame Familienaktivitäten. Erzählen Sie von Ihren eigenen Plänen und denken Sie die Zukunft mit Ihrem Kind. Wie könnte sie sein, was möchte Ihr Kind einmal machen, gestalten? All diese Gedanken schließen an den oben genannten Optimismus an. Auch Routinen können in schwierigen Situationen Sicherheit und Handlungskompetenz geben.

  • EIGENVERANTWORTUNG

Die Dinge selbst in die Hand nehmen und nicht warten, bis irgendjemand alles vorbereitet oder erledigt. Entscheidungen mutig treffen und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, ohne bei Misserfolgen den Schuldigen im Außen zu suchen. Das Wollen in Tun umsetzen. Das bedingt auch Motivation, etwas auf sich zu nehmen.

Auch hier gilt wieder zunächst das Vorbildverhalten. Doch um Verantwortung selbst übernehmen zu können, muss sie mir auch übergeben werden. Übergeben Sie Ihrem Kind mehr und mehr Verantwortung für bestimmte Bereiche. Das bedeutet für Sie, dass sich dann aber auch zurückzunehmen und nicht mehr einzugreifen. Wie das mutig gelingen kann, habe ich auch in mehreren Kapiteln meines Buches MUT beschrieben.

  • BEZIEHUNGEN

Der Mensch ist kein Einzelgänger, wir sind Sozialwesen und gute, wohlwollende Beziehungen geben uns Sicherheit und Geborgenheit. Wir brauchen Menschen, die wir um Hilfe bitten können, die Vorbilder sind und mit uns wachsen. Über welches Netzwerk verfügen Sie selbst? Dabei kommt es nicht unbedingt auf die Größe, sondern auf die Verlässlichkeit und Stabilität, sowie Erreichbarkeit an.

Unterstützen Sie Ihr Kind, ein ebensolches Netzwerk von gleichaltrigen Freunden. Verlässliche Erwachsene außerhalb der engen Familie können in bestimmten Situationen hilfreicher sein, als die eigenen Eltern oder Geschwister. In der Pubertät beispielsweise suchen sich die Jugendlichen mit Absicht andere Vorbilder. So können sie sich leichter von den Eltern trennen und lernen auch andere Verhaltens- und Sichtweisen kennen. Das bedeutet nicht, dass Sie als Eltern nicht mehr wichtig sind, es ist wichtig um sein eigenes Weltbild zu erschaffen. Neue und andere Sichtweisen ermöglichen dein „eigenen Wald“ zu verlassen und neue Ideen zu finden.

  • SELBSTREGULATION

Dies ist eine Fähigkeit, die der Mensch erst lernen muss. Neugeborene verfügen darüber noch nicht; sie zeigen ihre Bedürfnisse unvermittelt und vehement. Um meine eigenen Bedürfnisse zu regulieren, also mich einmal zurück zu nehmen, oder mich aufzuraffen, mich aus der „Opferrolle“ befreien, muss ich mir derer erst einmal bewusst werden. D.h. ich muss meine Bedürfnisse wahrnehmen und interpretieren. Das ist ein komplexer Zusammenhang. Hier kommt die vielzitierte Achtsamkeit ins Spiel. Achtsam mit sich selbst zu sein. Wie gehen Sie selbst mit sich um? Denn auch hier geht es wieder um Vorbildverhalten. Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber. Was Sie jetzt gerne möchten, was aber jetzt gerade nicht geht.

Erkennen Sie die Bedürfnisse Ihres Kindes und würdigen Sie sie, indem Sie sie benennen. Ein Gesehenwerden ist der erste Schritt zur Regulation. Dann ist das Bedürfnis schon nicht mehr so groß und wichtig. Es ist gesehen und so kann mit ihm umgegangen werden. Grenzen der eigenen Bedürfnisse müssen erkannt und akzeptiert werden, das ist ein – oft schmerzhafter – Prozess. Auch Grenzen nach außen hin zu setzen will gelernt sein.

  • LÖSUNGSORIENTIERUNG

Der schweizer Mentaltrainer Andreas Ackermann entwickelte das Akronym NIPSILD. Die Buchstabenfolge bedeutet: Nicht In Problemen, Sondern In Lösungen Denken. Es bedeutet den Blickwinkel zu wechseln. Raus aus der Jammerposition, rein in die kreative Sichtweise der Möglichkeiten. Was könnten Lösungswege sein? Es muss ja nicht jeder funktionieren! In Lösungen zu denken, heißt auch, ohne Zensur „rumzuspinnen“. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht uns aktiv zu werden. In der Problemsicht verharren wir machtlos. In der Lösungssicht können und müssen wir uns bewegen. Aktivität ist das Gegenteil von Ohnmacht. Unsere Ressourcen werden aktiviert und wir erfahren Selbstwirksamkeit. Ein starker Motor für das gestaltende Leben. Finden Sie selbst Lösungen, oder verharren Sie oft in Aussichtslosigkeit?

Welche Lösungen darf Ihr Kind finden? Manche Erfahrungen muss man einfach selbst machen, damit man versteht, dass es ggf. nicht funktioniert. Wir Erwachsene haben leider schon viele Erfahrungen gemacht, die unsere Sichtweise bestimmen. Dabei ziehen wir gar nicht mehr in Erwägung, dass es evtl. auch anders funktionieren kann. Beziehen Sie Ihr Kind in Lösungsfindungen ein, bzw. fordern Sie es auf, eine Lösung zu finden. Hüten Sie sich, gleich alles zu negieren und ihm ungewöhnliche Wege auszureden. Natürlich dürfen Sie den ein oder anderen bedenkenswerten Hinweis geben.

Ein Vortrag von Andreas Ackermann zum Thema "NIPSILD" hier bei youtube.

  • AKZEPTANZ

Tatsachen akzeptieren, annehmen was ist. Doch das bedeutet nicht, sich allem zu unterwerfen. „Akzeptiere, was du nicht ändern kannst“ ist ein weiser Spruch. Doch wie erkenne ich, dass ich etwas nicht ändern kann? Ich sehe darin die Gefahr, dass wir unsere Stärke sehr schnell klein machen. Denn Änderungen fangen nicht immer mit großen Taten an! Besser gefällt mir:

"Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,

die ich nicht ändern kann.

Gib mir den Mut, Dinge zu ändern,

die ich ändern kann.

Und gib mir die Weisheit,

das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Akzeptanz ist wichtig, denn erst, wenn ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann, kann ich Lösungen finden, oder zur Ruhe kommen. Diese Akzeptanz gibt mir Gelassenheit. Ich muss nicht mehr dagegen ankämpfen.
Ich befürchte, diese Weisheit zu erlangen ist eine Lebensaufgabe. Jedes mal muss ich neu weise überlegen, ob die Situation zu verändern, oder zu akzeptieren ist.

Ein weiterer Aspekt der Akzeptanz ist auch, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin. Mit meinen Stärken UND Schwächen. Doch auch hier die Weisheit zu haben, was ich noch weiterentwickeln und dazu lernen kann.

Wie geht es Ihnen mit der Akzeptanz? Können Sie leicht akzeptieren? Akzeptieren Sie Ihr Kind, so wie es ist, auch wenn Sie Facetten sehen, die Ihnen nicht so gut gefallen? Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Dinge, die sich ändern, bzw. nicht ändern lassen.

Vertrauen in sich und das Leben

Um generell mit Stress verursachenden Situationen umgehen zu können ist es eben hilfreich ein Vertrauen in sich selbst und das Leben zu haben. Dies können Kinder entwickeln, wenn sie unterstützende Lebensbedingungen vorfinden, die wir Erwachsene im Idealfall schaffen können:

  • eine sichere Bindung ermöglicht auch zu anderen Menschen emotional-positive Beziehungen;
  • klare und verlässliche Verhaltensmuster der umgebenden Erwachsenen und eine Atmosphäre der Wertschätzung und Akzeptanz;
  • kompetente und positive Rollenmodelle auch außerhalb der Familie;
  • stabile Beziehungen zu Gleichaltrigen;
  • eine wertschätzende Lernumgebung in Kindergarten und Schule.

Kinder, die auch ihre Stärken kennen, weil diese gesehen, gefördert und formuliert werden, fühlen sich handlungsfähiger. Sie gehen leichter an Problemsituationen heran und glauben an ihre Selbstwirksamkeit.

Erfolgserfahrungen werden z.B. im Sport ermöglicht. Entspannung finden wir in der Natur und in geschützten Situationen.

All diese Punkte stärken die Resilienz, die ein erfolgreiches und glückliches Leben ermöglicht. Passivität, hoher Fernsehkonsum, Krankheit oder schwierige Situationen im Familienumfeld schwächen dagegen und erhöhen das Risiko, im Leben schlecht zu Recht zu kommen.

Erfolge in der Schule, also gute Noten, ein flottes Vorankommen ist also nicht alles, was im Leben zählt. Kinder, die sich sicher, angenommen und stark fühlen, werden auch später noch Potenziale entfalten, wenn sie sie brauchen. Doch Resilenz als Erwachsener aufzubauen ist ungleich schwieriger als sich bestimmte Fähigkeiten für ein Berufsbild anzueignen.

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