3. April 2024
von Alexandra Lux
Individualisiertes oder industrialisiertes Lernen?
Seit Jahren wird individualisiertes Lernen in den Himmel gelobt. Doch passiert es wirklich? Für mich ist individualisiertes Lernen eben nicht der Förderunterricht, sondern das Lernen, das den Kindern dort begegnet, wo sie sich befinden. Ich will sie nicht mal „abholen“. – Darüber schrieb ich schon im Impuls zum neuen Jahr. Ich will ihnen das geben, was sie brauchen. Ich möchte, dass die lernen können, wie es für sie passt. Weg von den Gießkannen und dem „one fits all“, für alle der gleiche Unterricht. Denn das verstehe ich dann unter industrialisiertem Lernen. Genormt, standardisiert.
Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer sind an der Grenze zur Erschöpfung, immer weniger junge Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Es mehren sich die Rufe nach mehr Regeln und Strukturen. Die Herausforderungen steigen. Ja, die Gesellschaft verändert sich und Schule passt sich dem nicht an.
Kinder lassen sich nicht mehr in die dreigliedrige Schulform pressen, in Jahrgänge und Könnensschienen einstufen. Sie rebellieren. Mit auffälligem Verhalten, mit Verweigerung. Nein, ich sehe nicht die Schule als alleinige Ursache dafür, viel liegt auch in unserer Gesellschaftsstruktur und den Familien. Doch Schule gibt ihres dazu.
Wir sehen sie nicht
Fast scheint es mir, als wehren sich die Kinder und Jugendlichen gegen die „Ausbeutung“ ihres Wissens, ihrer Kompetenzen, ihrer Persönlichkeiten. Dies wird allerdings nicht als Wehrhaftigkeit erkannt, sondern als Ungehorsam, fehlende Disziplin und mangelnde Konzentration. Wieder wird den Kindern und Jugendlichen die Schuld des Misslingens zugeschoben.
Was wollen und brauchen wir für die Zukunft, für eine tragfähige Gesellschaft, die sich gegenseitig unterstützt und sich somit weiter entwickelt? Ich denke, das Industriezeitalter haben wir hinter uns, sind wir durch das Informationszeitalter auch schon durch? Was bedeutet das für das Lernen der jungen Generationen und für die Bildungslandschaft? Wo sind unsere Dichter und Denker? Ich finde sie nicht mehr.
Vor 30 Jahren lernte ich die Montessori-Pädagogik kennen und mehr und mehr lieben. Schon immer sagte ich, dass sie nicht im Geringsten veraltet ist, sondern so aktuell wie noch nie! Und dieses Gefühl wird von Jahr zu Jahr stärker. Maria Montessori wollte den eigenständigen, kritischen Bürger, ging davon aus, dass in jedem Menschen alles angelegt ist, was er in seinem Leben braucht. Durch die Kinder wollte sie eine neue, friedliche und wertschätzende Welt erschaffen.
Unser Leben ändert sich - das Schulsystem verharrt
Für die Akademie Biberkor bin ich als Dozentin in den Montessori-Diplom-Basislehrgängen viel unterwegs und tätig. Das macht mir eine so große Freude, diese wunderbare Pädagogik weiter zu geben. Dadurch lerne ich so viele Pädagoginnen und Pädagogen kennen, die sich auch, zu Gunsten der Kinder und der Bildungslandschaft auf neue Wege begeben. Manche arbeiten schon in Einrichtungen, andere wollen einfach ihr pädagogisches Portfolio erweitern.
Die vielen Kolleginnen und Kollegen, egal in welchen Schulformen und Altersstufen, bestätigen, dass sie andere Methoden und Herangehensweisen brauchen um den Kindern in der heutigen Zeit gerecht zu werden. Sie merken einfach, dass das Lernen, wie es vorgegeben wird nicht mehr funktioniert. Es passt nicht mehr in unsere Zeit.
Ich wünsche mir mehr individuelles Lernen, ein Lernen, das zu der jeweiligen Persönlichkeit in diesem Moment passt. Mit Unterstützung und Anregung. Wir brauchen keine Industrieware, weder bei der Ernährung, noch bei der Bildung.
Und nein, es ist nicht schwieriger zu organisieren, individuelles Lernen anzubieten, es ist nur anders. Die Prioritäten liegen anders, das Denken muss sich verändern, das Handeln und die Haltung. Durch die Veränderungen werden auch viele Ressourcen frei, andere können mit eingebunden werden. Es gibt so viel wunderbare Beispiele, die all das erfolgreich leben.
Wir brauchen Menschen mit Herz und Vision
Es braucht ein paar wenige Menschen, die sich aufmachen und weitere auf ihrem Weg dazu einladen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und bis dahin unterstütze ich viele Schülerinnen und Schüler mit den LernCoachings, indem ich individuell auf sie eingehe. Und ich fahre weiterhin mit vollgepacktem Auto von Kursort zu Kursort und freue mich auf all die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen.